Nachfolgender Text wurde anlässlich der Jubiläumsfeier vom 20. Oktober 2018 von Gründungsmitglied und 60-Jahr-Veteran Klemens Lengen vorgetragen.
Liebe Musikantenfamilie
Geschätzte Gäste
Einführung
Lassen Sie mich als Zeitzeuge einen kurzen Blick zurück in die Zeit werfen, in der unsere Musikgesellschaft gegründet worden ist.
Als kleiner, hagerer Sekundarschüler durfte ich die Anfänge der Musikgesellschaft Alpengruss 1958 miterleben; entsprechend ist es für mich heute eine Ehre, zu den Gründungsmitgliedern zu gehören.
1958 war das Jahr, in dem
- Johannes XXIII. zum Papst geweiht wurde
- in der Schweiz die reguläre Fernsehausstrahlung begann
- am 7. September unsere neue Luftseilbahn Kalpetran - Embd mit den gelben Kabinen eingeweiht wurde
- die Gemeinde mit dem Bau der Trinkwasserversorgung beschäftigt war
Die Gemeinde Embd zählte damals rund 400 Einwohner. Annähernd 70 Rindviehhalter mit über 260 Stück Rindvieh (223 Simmentaler Rasse, 27 Eringer Rasse und 11 Kreuzungen) wurden offiziell gezählt. Die Landwirtschaft war die Lebensgrundlage. Zusammen mit Kalpetran besuchten in unserer Gemeinde gut 80 Schülerinnen und Schüler in vier Klassen die Primarschule. Tempi passati!
Wir Jugendlichen klagten damals nicht über schmerzende Finger, Kopfweh und Schlafstörungen wegen zu öfterem Smartphonegebrauch. Auch PC, Tablet und iPad existierten noch nicht einmal als Begriffe. Die Festnetztelefonie stand nur in vereinzelten Häusern (Pfarrhaus, Postgebäude) zur Verfügung. Das Freizeitangebot hielt sich in Grenzen, so dass sich auch zahlreiche Jugendliche auf das Mitmachen in der Musikgesellschaft freuten. Trotz vieler Entbehrungen kann ich mich nicht erinnern, dass wir damals unzufrieden waren und ausreichend Grund zum Klagen hatten. Bedauern ist also nicht notwendig und angezeigt!
Die Anfänge der hiesigen Musikgesellschaft
Am 1. November 1958 versammelten sich die Initianten Engelbert Gsponer, Simon Fux, Anton Schaller und Roman Schaller zur eigentlichen Gründungsversammlung in Embd.
Dem ersten Vorstand gehörten an:
- Roman Schaller, Präsident
- Werner Bumann, Vizepräsident
- Felix Lengen, Kassier
- Simon Fux, Aktuar
- Engelbert Gsponer, Materialverwalter
Am 9. November 1958 wurden im Gemeindehaus die ausgearbeiteten Statuten von allen Mitgliedern unterzeichnet und somit auch genehmigt. Insgesamt waren es 38 Gründungsmitglieder. Frauen waren damals noch nicht dabei, obwohl man sie inbrünstig liebte. (GV November 1979: Aufnahme von Frauen: 11 Nein, 10 Ja); an der GV im November 1987 wurde dieser Entscheid dann mit 20 Ja ohne Gegenstimmen korrigiert. Seither sind die Frauen in unserem Verein vollwertige und geschätzte Mitglieder.
Als 1. Dirigent konnte Karl Jornot aus Grächen verpflichtet werden (1911 - 1997). Er brachte uns im hiesigen Gemeindehaus in ungezählten Stunden die Kenntnisse der Notenlehre und der Blastechnik bei. Mit meiner Hirsbrunner-Occasionstrompete mit Klappventilen war auch ich fleissig am Üben. Das Üben empfanden wir zumindest in der Startphase nicht als Pflicht, sondern als sinnvolle und bereichernde Freitzeitbeschäftigung.
Bald einmal fanden auch erste Marschübungen auf der Kantonsstrasse in Kalpetran statt, in Embd selber gab es ja noch keinen Quadratmeter geteerte Strasse. Der erste eingeübte Marsch war mit dem Titel „Schweizer Etappenmarsch“ überschrieben.
Am 18. April 1959 beschloss man in einer ausserordentlichen Generalversammlung die Anschaffung einheitlicher Hemden, einer Krawatte und einer blauen Schirmmütze.
Bloss einige Tage danach einigte man sich auf die Anschaffung einer Vereinsfahne sowie auf den künftigen Namen „Alpengruss“. Die erste Vereinsfahne, um deren Gestaltung sich auch Einheimische (Pfr. Elias Mooser, Leo Williner, Lehrer und Dr. Conrad Fux, Arzt) bemühten, war bereits mit der neuen Kirche von Embd (Grundsteinlegung: 1959) geziert.
Der erste öffentliche Auftritt der Musikgesellschaft Alpengruss fand am 10. Mai 1959 statt. Bei dieser Gelegenheit wurde die neue Fahne eingeweiht (Paten: Leonie Schaller-Fux, Dr. Conrad Fux-Bürgi; 1. Fähnrich: Alois Gsponer-Williner).
Anlässlich der Generalversammlung vom 24. Januar 1960 erfolgte der Beschluss zur Anschaffung neuer Instrumente. Lieferantin war die Firma Hirsbrunner aus Sumiswald. Am 19. Juni 1960 wurden im „Rafgarto“ die neuen Instrumente in einer würdigen Feier eingeweiht. Aus dem Vereinsprotokoll geht hervor, dass die neuen Instrumente einen eigentlichen Motivationsschub auszulösen vermochten, so dass man sich erstmals zur Teilnahme an einem Bezirksmusikfest entschied. Dieses fand in Zermatt statt. Vorgetragen wurden die Stücke „Schweizer Etappenmarsch“, „Golden Time“ und „Feierliche Musik“. Die erste Teilnahme an einem solchen Anlass wurde denn auch als Volltreffer bezeichnet, jedenfalls steht es so im Vereinsprotokoll.
Sparsamkeit war damals eine ausgeprägte Tugend der Embder Bevölkerung. An der GV vom 22. Januar 1961 konnte der Kassier stolz verkünden, dass der Verein bloss mehr eine Schuld von 203.45 aufweise, obwohl man im Vorjahr neue Instrumente für einen Betrag von 14‘200.-- Franken angeschafft habe.
An dieser Stelle darf der Hinweis nicht fehlen, dass die Musikgesellschaft Alpengruss seit ihrer Gründung von der einheimischen Bevölkerung wie auch von zahlreichen auswärtigen Gönnern stets überaus grosszügig unterstützt wurde. Davon zeugt die grosse Zahl von verdienten Ehrenmitgliedern.
In der ausserordentlichen Generalversammlung vom 21. Juni 1964 stand eine weitere bedeutende Anschaffung zur Debatte. Es ging um die Anschaffung der ersten Uniform.
Der Schneider Hofstetter aus Lyss erhielt den Auftrag. Am 3. Oktober 1964 erfolgte in Embd die Vorstellung der dunkelgrünen Uniform. Zur Massnahme hielt der Protokollführer die Aussage des Lieferanten fest: „Viel Buch und wenig Bei“.
Weitere Höhepunkte der Vereinsgeschichte
Seit Jahrzehnten waren die Bezirksmusikfeste sowie die Oberwalliser Musikfeste und in Einzelfällen das Kantonale Musikfest eigentliche Höhepunkte. Besonders gespannt waren wir Musikanten jeweils auf die Wertungen am Oberwalliser Musikfest. Sie vermochten zu überraschen, in Einzelfällen aber auch zu enttäuschen.
Wichtig war aber immer das Mitmachen in einem grösseren Verband und das jeweilige Wiedersehen im Gleichgesinnten.
Am 4. August 1974 fand in Kalpetran zum zweiten Mal in der Vereinsgeschichte der „Alpengruss“ die Einsegnung neuer Instrumente statt.
Anlässlich der Generalversammlung vom zweiten Sonntag im November 1977 wurde der Beschluss gefasst, eine neue Uniform anzuschaffen. Die künftigen Auftritte erfolgten mit dem blau-grauen Einheitskleid.
Zum 25-jährigen Bestehen gönnte sich der Verein eine mehrtätige Carreise an die Côte d’Azur (Genf-Grenoble-Marseille-Nizza-Monte-Carlo-Genua-Simplon). Am 31. August 1984 traten 40 Reiselustige die Fahrt an. Ganz generell galten die verschiedenen Vereinsausflüge als besondere Ereignisse, die wesentlich zum besseren Zusammenhalt der Mitglieder beizutragen vermochten.
Bereits am 24./25. Mai 1986 durften wir die Vereine des Bezirksmusikverbandes erneut zum Musikfest in Kalpetran begrüssen.
In der Generalversammlung vom 11. November 1990 nahmen wir mit Wehmut und Dankbarkeit Abschied vom langjährigen Fähnrich +Alois Gsponer, der mit 81 Jahren die Fahne unseres Vereins an Odilo Schaller übergab. In späteren Jahren kamen zu dieser Ehre auch Heinz Peter und Hermann Williner, der diese Funktion noch heute mit Stolz und Würde ausübt.
Ein weiterer Höhepunkt stand am 4./5. Mai 1996 auf dem Programm. Mit viel Geld schaffte sich der Verein qualitativ überzeugende Instrumente an und stellte diese unter den Schutz Gottes.
Am 25./26. Mai 2002 lud die hiesige Musikgesellschaft die Vereine des Bezirksmusikverbandes bereits zum 3. Mal zum Verbandsfest nach Kalpetran ein. Auch dieser Anlass nahm einen erfolgreichen Verlauf. Bei dieser Gelegenheit schaffte sich der Verein die heutige Uniform an.
Das Wochenende vom 6./7. September 2008 war für die Musikgesellschaft ein ganz besonderes Ereignis. Der Verein durfte mit einem ansprechenden Festprogramm das 50-jährige Bestehen feiern und sich bei dieser Gelegenheit hinter eine neue Fahne stellen. Als grosszügige Paten konnten Annelies Gsponer und Anton John gewonnen werden. Dies war nach der am 19./20. August 1978 eingeweihten Vereinsfahne mit den Fahnenpaten Helene Fux-Fux und ihres Bruders Ernst Fux-Petrig bereits das dritte Vereinsbanner. Für die acht, damals noch aktiven, Gründungsmitglieder Markus Fux, Arnold Lengen, Klemens Lengen, Walter Lengen, Leo Lorenz, Franz Schaller, Paul Schaller und Theodul Schaller bestand Grund zur Freude und Dankbarkeit.
Der letzte grosse Anlass war das am 26./27. Mai 2018 in der Nachbargemeinde Stalden von uns organisierte 70. Musikfest des Bezirksmusikverbandes Visp. Höhere Gewalt machte diesmal den erprobten und bewährten Festort Kalpetran unmöglich. Für das Entgegenkommen der Gemeinde Stalden wie auch für die tadellose Organisation gebührt den Verantwortlichen Dank und Anerkennung.
Nicht weniger als sechs Aktivmitglieder, darunter die drei Gründungsmitglieder Arnold Lengen, Franz Schaller und Klemens Lengen, kamen im Rahmen dieses Anlasses zu Veteranenehren und wurden gebührend gefeiert.
Verdiente und bewährte Dirigenten unseres Vereins
Dieser kurze Rückblick wäre nicht ausgewogen, wenn nicht auch die bewährten Dirigenten der letzten 60 Jahre mit der geschuldeten Dankbarkeit erwähnt würden. Unserem Verein standen bisher die Dirigenten VKarl Jornot, VGerhard Heinzen, Thomas Lauber, Konrad Walter und Bernhard Brantschen vor. Walter Konrad hat es bei uns Embdern ganze 38 Jahre ausgehalten. Eine solche Leistung verdiente eine spezielle Anerkennung. Sie wurde mit der Ernennung zum Ehrendirigenten zum Ausdruck gebracht. Bernhard Brantschen musste dieses Jahr den Dirigentenstab aus gesundheitlichen Gründen seinem jungen Nachfolger Angelo Jeitziner aus Lalden übergeben.
Beiden wünschen wir das nötige Glück und vor allem gute Gesundheit.
Ausblick
Viele haben dazu beigetragen, dass ein wichtiger Dorfverein bereits 60 Jahre aktiv sein konnte. Dafür gebührt allen ein herzliches „Vergelt’s Gott“.
Der „Alpengruss“ steht heute ein überaus jugendlicher und motivierter Vorstand vor. Es ist ihm von Herzen zu gönnen, dass unser Dorfverein, der weltliche und kirchliche Anlässe musikalisch umrahmt und so zweifellos verschönert, auch in Zukunft eine Überlebenschance haben wird. Dies liegt weitgehend auch in der Entwicklung unserer Wohngemeinde, die weiterhin keinen leichten Stand haben wird. Vor allem die Jugend ist gefordert; haltet der Gemeinde Embd die Treue, damit auch sie überleben kann.
Abschliessend gratuliere ich unserer Musikgesellschaft zum 60-jährigen Bestehen und all ihren früheren und heutigen Mitgliedern. Viele von ihnen ruhen bereits auf unserem Dorffriedhof. Auch ihrer wollen wir bei dieser Gelegenheit gedenken und ihnen den immerwährenden Frieden wünschen.
Es lebe die Musikgesellschaft Alpengruss; es lebe die Gemeinde Embd!
Ich danke für die mir erwiesene Aufmerksamkeit und wünsche allseits ein friedliches und fröhliches Fest.
Klemens Lengen / 20. Oktober 2018